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Die
Chinchilla

Lang fließendes weißes Haar mit feinen schwarzen Spitzen umhüllt sie wie eine zarte, silbrige Wolke. Gleich Edelsteinen leuchten daraus ihre großen blaugrünen Augen. Sie sieht stets aus wie frisch geschminkt mit den exakt gezeichneten schwarzen Linien um Näschen und Augen. Unter allen Perserkatzen ist die Chinchilla die Silberprinzessin! Schwer vorstellbar, dass diese Rasse schon seit über 100 Jahren existiert. Die englische Urmutter aller Chinchillas, "Chinnie", wurde 1882 geboren. Seitdem werden Chinchillas gezüchtet, und sie entwickelten sich langsam, aber sicher, zu unglaublicher Schönheit. Viele Katzenfreunde halten sie für die schönste Katzenrasse überhaupt. Wie alle Rassen der Silberserie ist die Chinchilla verhältnismäßig komplex und daher schwierig zu züchten. Außerdem ist sie gar nicht so leicht in Bestform auszustellen. Genau hierin liegen Herausforderung und Attraktion der Rasse. Die sagenhafte optische Erscheinung zieht vor allem ästhetisch empfindsame Menschen in ihren Bann. So auch Sheila Harrison, von Beruf Fotografin, die uns ihr wunderbares Foto für das Cover zur Verfügung stellte. Weil sie um die phantastische optische Wirkung dieser Katzen weiß, züchtet sie Chinchillas seit längerer Zeit mit großer Sorgfalt ("Classic"). „Die Bezeichnung »ästhetisch« trifft am besten auf die spezielle Schönheit der Chinchilla zu" schreibt sie. Die Fotografin Harrison liebt besonders die lichte Impression einer schön gepflegten Chinchilla bei rechter Beleuchtung. Dass die Zucht dieser märchenhaft schönen Katze allerdings nicht unproblematisch ist, weiß sie ebenfalls zu berichten. Im folgenden stützen wir uns u. a. auf Harrisons Aussagen zu Zuchtfragen.

Die Problematik der Fellfarbe

a) Zuchtentwicklung
Genetisch ist die Chinchilla immer schwarz, der Silberungsfaktor kommt dazu. Ursprünglich wurde sie in England aus der Silvertabby entwickelt. Das begann vor mehr als einem Jahrhundert, als die Chinchillas noch ziemlich streifig und dunkel waren. Manche hatten auch noch reichlich bräunliche Flecken, denn es waren ab und zu Browntabbies eingekreuzt worden. Für die Züchter der frühen Jahre gab es ein zentrales Anliegen: die Aufhellung der Fellfarbe! Es dauerte lange, bis man mehr als eine Chinchilla vorweisen konnte, die in ihrer Gesamtwirkung "weiß" aussah. Man schrieb inzwischen die 30er Jahre. Seitdem sind die Engländer stolz auf ihre recht hellen Chinchillas. Um sie von denen anderer Herkunft zu unterscheiden, nennen sie sie "English Chinchilla". Während bei uns und z.B. auch in den USA die dunkler schattierte Silberne unter der Bezeichnung "Silver Shaded" als Rasse für sich gilt, gibt es in England nur die Chinchilla. Die Folge ist, dass die kontinentalen und amerikanischen Silver Shadeds für die englische Chinchilla-Zucht viel zu dunkel sind. Ganz helle Chinchillas sind jedoch bei uns wie auch in England echte Raritäten. Auf jeder Ausstellung sind die Shadeds gegenüber den Chinchillas in der Überzahl ... Zwar sind die ganz hellen Exemplare die gesuchteren Ausstellungskatzen und darum auch Zuchtziel, aber stetige Auswahl der Hellsten bringt Probleme. Wenn immer nur mit den Hellsten, d. h. mit weniger pigmentierten Katzen gezüchtet wird, kommt es irgendwann auch zur Depigmentierung bei der Augen- und Nasenumrandung, bei den Pfotenballen oder der Augenfarbe selbst. Aus diesem Grunde weiß der Züchter die stärker schattierten Chinchillas bzw. Silver Shadeds wohl zu schätzen. Es ist eine Frage züchterischer Geschicklichkeit, ästhetisch schöne, standardgerechte Chinchillas zu züchten, die weder zu dunkel noch zu blass in der Pigmentierung ausfallen.

b) Altersentwicklung
Keine Chinchilla wird perfekt geboren. Bei ihrer Geburt sind die Kätzchen gestromt. Sie haben gestreifte Schwänze und können am Körper dunkel aussehen. Mit 12 Wochen kann ein Chinchillakätzchen ganz hell geworden sein, aber es ist möglich, dass das erste Erwachsenenfell dann wieder stark getippt ist. Doch dabei bleibt es nicht. Die Chinchilla kann alle paar Wochen oder Monate anders schattiert aussehen. Ist sie als Chinchilla vielleicht im Januar noch viel zu dunkel, so kann sie u. U. bis Dezember so hell geworden sein, dass sie zur Besten gewählt wird! Gute Richter wissen das und schreiben dann z. B.: „... ist zur Zeit noch etwas zu stark schattiert..." Durch das wechselnde Aussehen kann es leicht zu Rasseumschreibungen von Chinchilla in Shaded Silver oder umgekehrt kommen, was nicht selten nach einiger Zeit bereut wird. Verursacht wird die unterschiedliche Schattierung nicht nur durch verschieden langes Tipping, sondern auch durch die Anzahl dunkel getippter Haare. Je mehr dunkle Haare, desto dunkler die Katze. Die Fellfarbe der Chinchilla ist sehr wichtig. Sie umfasst immerhin 25 Punkte von 100 im Standard und wird von Richtern als erstes und wichtigstes Kriterium begutachtet.

c) Schattierte Pfoten
In den Würfen von Chinchillas kommen immer auch Kätzchen mit schattierten Pfoten vor. Das Tipping kann mehr oder weniger dunkel ausfallen, aber die Haarwurzeln sind normalerweise weiß. Mehr oder weniger schattierte Pfötchen sind kein Hinweis auf eine später mehr oder weniger dunkel getippte Katze.

Die Piginentierung der Haut
Hinsichtlich der Pigmentierung kommt es, wie bei praktisch allen Rassen, auch bei der Chinchilla nicht nur auf das Haar an. Der Standard verlangt schwarze oder dunkelbraune Pfotenballen, Nasen- und Augenumrandung. Bei extrem hell herausgezüchteten Chinchillas kann es passieren, dass die Pigmentierung auch in den Hautpartien nachlässt. Dies zeigt sich in gesprenkelten Lippen oder fehlenden Umrandungen. Umgekehrt kann eine extrem dunkel schattierte Katze wegen zuviel Pigment eine vollständig schwarze Nase bekommen. Der Nasenspiegel der Chinchilla soll ziegelrot sein mit schwarzer Umrandung. Die Intensität der ziegelroten Färbung kann variieren, je nachdem, wie stark die Katze insgesamt pigmentiert ist. Die Farbe variiert aber auch in Verbindung mit dem jeweiligen Befinden der Katze, etwa wie die Wangen beim Menschen, wenn er vor Freude, Schreck oder Angst rot anläuft oder blass wird ...

Das Glitzern im Fell
Schon seit jeher werden Chinchillakatzen als "glitzernd" beschrieben. Der Standard verlangt genau das Tipping, das den typischen Glitzereffekt hervorbringt. Am schönsten kann man das im Gegenlicht erkennen. Wenn die Katze von hinten oder von der Seite durch die Sonne beschienen wird, sieht es aus, als ob jedes einzelne Haar kleine lichtdurchlässige Abschnitte hätte. Das Licht bricht sich in unterschiedlicher Intensität, und so entsteht der wunderbare Glitzerglanz.

Die Augenfarbe
Eine schöne Augenfarbe vererbt sich gewöhnlich von den Eltern auf die Kinder. Es wird immer wieder darüber diskutiert, welche der beiden zulässigen Farben schöner ist, Smaragdfarben oder Blaugrün. Die meisten Züchter bevorzugen ein intensives Blaugrün, das zu erreichen oft mit jahrelanger züchterischer Auslese verbunden ist. Chinchillakätzchen werden, wie alle Katzen, mit blauen Augen geboren. Bis die Augenfarbe der jungen Chinchilla sich vollständig ins Blaugrün entwickelt hat, können bis zu 18 Monate vergehen.

Der Typ
Jahrzehntelang war die Frage nach dem Typ bei den Chinchillas nolens volens unter den Tisch gekehrt worden, denn niemand kann auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Die intensiven Bemühungen um perfektes Fell hießen nämlich: Nur Chinchilla x Chinchilla paaren! Keine Einfarbigen einkreuzen, denn das hieße Rückschläge in der Farbzucht hinnehmen! Wie sollten da die Chinchillazüchter bei der allgemeinen Weiterentwicklung des Persertyps mithalten? Zugunsten der empfindlich störbaren Fellfarbe musste man es einfach in Kauf nehmen, dass die Chinchillas mit langen Nasen und großen Ohren gewaltig aus dem Perser-Rahmen fielen. Schließlich waren es die Amerikaner, die dann die Kastanien aus dem Feuer holten. Mutig riskierten sie Kreuzungen mit typvollen einfarbigen Persern, gaben mehrere Jahre daran, das Fell wieder richtig hinzubekommen und konnten schließlich mit schönen kräftigen, ausgezeichnet gefärbten Chinchillas aufwarten, die einen hervorragenden Persertyp aufwiesen. Sie kamen natürlich auch nach Europa. Hier waren sie um so wertvoller zur Zucht, als sie außer den erwünschten Merkmalen durch ihre fremden Blutlinien erheblich zur Vitalisierung alter, mehr oder weniger "ermüdeter" Chinchilla-Linien beitrugen. Dabei ist zu bemerken, dass "amerikanischer Typ" keineswegs zwangsläufig bedeutet "Übertyp" (peke face, Triefaugen, Schädeldeformation, Gebißfehler). Sogenannte "Extremtypen" kommen in den USA durchaus selten vor. Die amerikanische Chinchilla entspricht dem Standard für Perserkatzen mit gutem Nasenbreak (nicht "ohne Nase"). Ihr positiver Einfluss auf europäische Zuchten wird seit einiger Zeit von Fachleuten freudig begrüßt. So zitiert Sheila Harrison aus einem Richterbericht von Mr. Eric Wickham-Ruffle anlässlich der Supreme Show Ende 1992: „... bin froh, dass wir scheinbar abkommen von den langen geraden Nasen, den riesig großen Ohren und den keilförmigen Köpfen, die unsere englischen Chinchillas immer hatten ... Wir erleben jetzt die atemberaubend ätherische Schönheit dieser Rasse, vereint mit einem guten Persertyp, — nur die Massivität einer Blauen Perser hat die Chinchilla noch nicht..."

Knochenbau und Vitalität
Hier zeigte die Chinchilla schon immer die typische Schwachstelle der reinrassig durchgezüchteten Katze. Die jahrelange Reinzucht ließ sie immer kleiner und zierlicher werden. Ursache waren zwei entscheidende Faktoren: Der Ursprung von nur ein oder zwei Ausgangskatzen und die Reduzierung der ganzen Rasse auf nur eine Handvoll Exemplare im Zweiten Weltkrieg. „Natürlich bedeuten Attribute wie »ätherisch«, »märchenhaft« oder »prinzessinnengleich« nicht, dass die Chinchilla winzig klein sein soll", meint dazu Sheila Harrison. Sie ist froh, dass es nun dank der Importe von Übersee mit der Rasse aufwärts geht. Die Chinchilla soll den gleichen stämmigen Körper aufweisen wie andere Perserkatzen. Nur bei Kätzinnen ist ein feinerer Knochenbau akzeptabel.

Auf der Ausstellung
Sinn des Ausstellens ist es nicht bloß, zu siegen. Man zeigt seine Katze anderen Ausstellern und dem Publikum. Damit trägt man zum Bekanntwerden seiner Rasse bei. Aber als Aussteller kann man außerdem beständig dazulernen. Man kann vergleichen und züchterische Entwicklungen beobachten. Man kann Ahnentafeln studieren. Vor allem aber kann man erfahren, was ein geschulter Preisrichter zur eigenen Katze bemerkt, wo er Vorzüge und Mängel erkennt. Vielleicht gibt er Tipps zur Zucht. Anlässlich des Internationalen D.R.U.-Rassekatzen-Salons fragte ich eine Expertin, die es wissen muss, nach wichtigen Tipps zur Zucht. Es war Mrs. Gowdy, langjährige Züchterin von Chinchillas in England, internationale Richterin des GCCF und Secretary des National Cat Club seit 28 Jahren. Für Richterin Gowdy beginnt alles mit der Auswahl eines geeigneten Kätzchens. „Nur das beste der besten kommt in Frage", rät sie. Sodann sei auf ausgezeichnete Ernährung der zukünftigen Zuchtkatze Wert zu legen. U. a. füttert sie selbst Fleisch. Nicht nur wegen der Nährstoffe, sondern auch, damit Kaumuskulatur und Kiefer sich kräftig entwickeln. Die Katze sollte dann zum Zeitpunkt der ersten Paarung nicht zu jung sein, damit sie selbst über genügend Substanz und Kräfte verfügt, ihre Kinder zu ernähren. Mindestens 18 Monate müsste die Katze alt sein, wenn sie erstmals zur Zucht zugelassen wird, rät Mrs. Gowdy. Dass zur Zeit bei unseren Ausstellungen die Chinchilla, immerhin eine der ältesten und vor allem eine der schönsten Katzenrassen, relativ selten zu bewundern ist, ist eigentlich merkwürdig und auch bedauerlich. Welcher Katzenfreund würde es nicht begrüßen, wenn einige unserer engagierten, fähigen Langhaarzüchter sich der Chinchillazucht widmen würden, damit diese exquisite Schöne wieder so in der Katzenwelt auftritt, wie es ihrer Tradition entspricht?

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